Corona: Warum wir eine andere Kommunikation brauchen | Naturarzt-Interview

Corona Situation - Mehr Kommunikation weniger Panik

Ein Auszug aus dem Naturarzt-Interview mit Diplom-Psychologe und Business-Coach Dr. Uwe Böning

Richtige Informationen entscheiden maßgeblich darüber, wie gut wir durch herausfordernde Lebenslagen gelangen. Für eine bislang kaum vergleichbare Extremsituation wie jene, in die wir uns durch COVID-19 und seine Folgen versetzt sehen, gilt das Gleiche. Doch an die relevanten Fakten zu kommen, gestaltet sich als nicht gerade einfach. Die nicht zu bewältigende Informationsfülle, mit der wir uns täglich konfrontiert sehen, ist das Eine. Die Qualität der Nachrichten, die uns mit negativen Emotionen aufgeladen zuweilen angst und bange werden lassen, der andere Aspekt. Redaktionsleiterin Verena Grein sprach mit einem Mann, der sagt: „Kommunikation ist nicht alles. Aber alles ist nichts ohne Kommunikation!“. Diplom-Psychologe und Top-Coach Dr. Uwe Böning weiß um die Macht der Worte und meint: „Wir brauchen deutlich mehr Sicherheit – und viel weniger Panik“

 

Naturarzt: Die Corona-Krise hat Deutschland fest im Griff. Wenn wir den Fokus mal nicht auf Infizierten- Zahlen und Sterblichkeitsraten legen und stattdessen das Augenmerk auf die Reaktionen angesichts der Umstände richten, können wir viel über menschliches Verhalten lernen. Warum glauben wir, dass übermäßige Toilettenpapierkäufe uns helfen, unbeschadet durch die Krise zu gelangen?

Dr. Uwe Böning: Es handelt sich dabei um rituelle Beruhigungsvorgänge, deren Motivation den Einzelnen meistens gar nicht so bewusst ist. Ganz ähnlich wie bei Übersprungshandlungen, die wir auch häufig bei Tieren beobachten können, wenn sie in übererregenden Situationen ihren Stress durch scheinbar sinnloses Verhalten abbauen. 

 

Vergleichbares sehen wir ja auch, wenn sich Menschen nach schockierenden Nachrichten erst einmal in die Küche zurückziehen, um Kuchen zu backen.

Zum Beispiel. Dem äußeren Beobachter erscheint derartiges oft völlig unverständlich. Tatsächlich ist es aus der Sicht der Evolution gut nachvollziehbar: Die Gesamtsituation, die wir zur Zeit erleben, ist so ungewohnt, belastend und ohne klaren Ausgang, dass Menschen dazu neigen – bewusst wie unbewusst –, einen Teil der Situation kontrollieren zu wollen, weil ihnen das das Gefühl gibt, wenigstens einen Teil der Situation kontrollieren zu können! Vor allem dann, wenn es gleichzeitig um einen Kampf mit Wettbewerbern um begrenzte Ressourcen geht. 

 

Unter Panik scheint manch einer die Richterrobe überzuwerfen: Kritisch wird beäugt, ob die Mitmenschen den vorgegebenen Sicherheitsabstand auch akkurat einhalten. Der zu unbekümmert erscheinende Nachbar wird schnell als fahrlässig eingestuft. Hat uns die Angst in eine Spirale des Bewertens katapultiert?

Na ja, bei 82 Millionen Menschen allein in Deutschland gibt es eben viele Erziehungsberechtigte. Manche sind es, andere bilden es sich ein. Wenn man sich unter Druck, aber auch wenn man sich überlegen fühlt, haben manche Menschen eben die Neigung, anderen zu zeigen, wie man es richtig macht. Man macht sich auf diese Weise innerlich einfach größer – sofern es die anderen einem gerade selbst nicht sagen.

 

Neben den Menschen, die die Angst zermürbt, reagieren manche ja auch mit – ich nenne es jetzt mal – Trotz. Sie treffen sich erst recht zu gemeinsamen (Corona-)Partys. Welche Mechanismen sind es, die uns zu solchem Verhalten verleiten?

Einer Jugend, die historisch lange fast unbekümmert in völlig ungewohnter Freiheit gelebt hat, sind so massive Einschränkungen wie jetzt in der Corona-Krise unbekannt. Zum Teil fehlt ihnen ein realistisches Augenmaß für die Angemessenheit der Maßnahmen und die Notwendigkeit der Befolgung der Anordnungen. Wir sind auf eine solche Situation nicht vorbereitet. Keiner ist darauf vorbereitet. Da kann Verschiedenes passieren: Erstens schätzen Menschen Leistungen von anderen tendenziell grundsätzlich schlechter ein als die eigenen. Und Risiken, die Menschen eingehen, stufen diese selbst tendenziell als geringer ein. Anders ausgedrückt: Gerade junge Menschen halten sich oft für unverwundbarer als Menschen im reiferen Alter. Das weiß man aus der Psychologie wie der Verhaltensökonomie. Außerdem wird die Situation oft unbewusst als so belastend erlebt, dass man – sozusagen als „Erlebensschutz“ bei überhoher Erregung – anfängt zu lachen oder andere Übersprungshandlungen auszuführen. Das habe ich ja schon zu Beginn erörtert.

 

Wie sehen Sie die Krisenkommunikation durch die Politik? Findet bei aller Information auch ausreichende Beruhigung statt?

Nein, ausreichende Beruhigung findet ja überhaupt nicht statt. Sondern eher ein „experimenteller Aktionismus“, um es einmal so auszudrücken.

 

Was konkret bedeutet, dass...?

… dass in übersachlicher, fast kalter Art Infektions- und Todeszahlen ohne Unterlass, in ständiger Ergänzung durch die Medien, im Übermaß penetriert werden. Und das noch verknüpft mit den bedrohlichen Gefahren eines möglichen nahen Todes. Natürlich verlangt die Situation ein konsequentes und schnelles Handeln. Aber warum wird nicht ebenso berechtigt realistisch über die faktischen Erholungs- und Genesungszahlen berichtet? Und warum unterhalten wir uns nicht genügend über die guten Beispiele, die es überall gibt? Wo gibt es eine vorbildliche Umsetzung und einen guten Umgang mit den schwierigen Einschränkungen? Da helfen ja nicht nur ernste, sondern auch humorvolle Beispiele, über die man erleichternd lachen kann!

 

Sie sprechen davon, dass die Medien positive Bilder und Lösungen transportieren sollten. Haben Sie ein hoffnungsspendendes Bild, das Sie für besonders beachtenswert halten?

Ganz einfach: Genauso wie die Infektions und Todesratenraten auch die Überlebens- und Erholungsraten in aller Welt auf Schaubildern zeigen. Nicht nur die Särge von Bergamo mit ihrem wirklichen Leid, sondern auch Bilder von konkreten Menschen, die sich erholt haben – und diese etwas Wahres erzählen lassen, das man in einen hoffnungsgebenden Kommentar einkleidet. Oder Vergleichszahlen mit anderen Krankheiten aus dem täglichen Leben. Oder Beispiele berichten, wie sich gute „Modelle“ im Alltag verhalten und ihre Ängste gut in den Griff kriegen. Das sollte man am besten in allen Info-Sendungen über die Corona-Krise im TV wie im Radio und in den Zeitungen ansprechen, zeigen, deutlich machen: Durch Sprache, durch Bilder und auch durch Zahlen und wiesene Verbesserungen bei Menschen in Deutschland, China, Italien und den USA.  

 

Das vollständige Interview finden Sie in der Naturarzt Ausgabe 05/2020Zur Ausgabe

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