Kontakt

Führen in Zeiten der Autonomie-Erwartung

Michael, Bereichsleiter in der Industrie

Mein Name ist Michael, ich bin 56 Jahre alt und seit über zwei Jahrzehnten als Führungskraft tätig. Ich habe mein Handwerk von der Pike auf gelernt. In meiner Laufbahn galten klare Ansagen, strukturierte Prozesse und eine gewisse Hierarchie als Garanten für Stabilität und Erfolg. Meine Mitarbeiter wussten genau, was zu tun war, weil ich es ihnen sagte. Und es funktionierte. Doch seit ich vor einem Jahr die Leitung eines neu formierten, interdisziplinären Teams übernommen habe, stoße ich an Grenzen, die ich früher nicht kannte. Mein Team besteht fast ausschließlich aus sehr jungen, hochqualifizierten Talenten. Sie sind schnell, digital versiert und sie fordern. Sie fordern nicht nur höhere Gehälter, sondern vor allem „Ownership“, maximale Flexibilität und Autonomie. Wenn ich versuche, wie gewohnt klare Anweisungen zu geben und die Umsetzung zu kontrollieren, spüre ich sofortigen Widerstand. Die Motivation sinkt, die Stimmung wird kühl. Manchmal habe ich das Gefühl, ich rede gegen eine Wand aus stiller Ablehnung. Wie passe ich meinen Kommunikationsstil an die Erwartungen der Generation Z an? Gleichzeitig wächst in mir die Sorge: Wenn ich die Zügel loslasse, verlieren wir die strategischen Ziele aus den Augen.  Wie übergebe ich Verantwortung, ohne die strategischen Ziele zu gefährden? Wie finde ich als erfahrene Führungskraft die richtige Balance? Wie soll ich Verantwortung übergeben, wenn ich nicht sicher sein kann, dass der Kurs gehalten wird? Ich fühle mich oft als Fremdkörper in meinem eigenen Team und frage mich ernsthaft: Passe ich noch in diese neue Zeit? Welche konkreten Schritte kann ich unternehmen, um meinen Führungsstil zu modernisieren?

Erfahrene Führungskraft steht vor ihrem Team und führt ein Meeting in einem modernen Besprechungsraum, während die Mitarbeitenden aufmerksam zuhören und Unterlagen prüfen

Dr. Bönings Antworten

Lieber Michael, Ihre Situation beschreibt ein Szenario, das mir in meiner Arbeit als Business Coach derzeit fast täglich begegnet. Sie stehen damit keineswegs allein da. Wir erleben aktuell eine fundamentale Verschiebung in der Arbeitswelt, die viele erfahrene Führungskräfte der Generation Babyboomer und der Generation X vor immense Herausforderungen stellt. Es ist das Aufeinandertreffen zweier Welten: Auf der einen Seite steht Ihre bewährte Erfahrung aus einer Zeit, in der Führung oft transaktional geprägt war (Leistung gegen Gehalt, Anweisung gegen Ausführung). Auf der anderen Seite steht eine Generation von jungen Arbeitnehmern, für die der Beruf mehr sein muss als nur Broterwerb. Sie suchen Sinn, Selbstwirksamkeit und persönlicher Entfaltung. 

Doch lassen Sie mich eines klarstellen: Es geht hier nicht um „richtig“ oder „falsch“. Es geht um Anpassungsfähigkeit und darum, das Machbare zu gestalten. Bei BÖNING CONSULT versprechen wir Ihnen nicht das Paradies einer reibungslosen Transformation, aber wir bewahren Sie vor der Hölle des Stillstands. Lassen Sie uns Ihre Fragen Schritt für Schritt analysieren.

»Kontrollverlust vs. Vertrauenskultur: Wie finde ich als erfahrene Führungskraft die richtige Balance?«

Der Begriff „Kontrollverlust“ ist angstbesetzt. Er suggeriert, dass Führung nur dann stattfindet, wenn man jeden Schritt überwacht. In einer komplexen, sich rasant wandelnden Wirtschaft ist eine solche lückenlose Kontrolle jedoch eine Illusion. Vielmehr sollten Sie Ihre Führung als einen dynamischen Lernprozess verstehen, nicht als starres Korsett.

Das Gegenmittel zur Kontrolle ist in diesem Kontext nicht Laissez-faire, sondern eine robuste Vertrauenskultur. Eine Kultur des Vertrauens bedeutet hierbei nicht blinde Hoffnung, dass „schon alles gut gehen wird“. Es ist eine Investition. Wenn Sie jungen Talenten Vertrauen schenken, zahlen diese es oft mit einer Währung zurück, die wertvoller ist als Gehorsam: mit intrinsischer Motivation und Innovationskraft.

Für Sie als Führungskraft bedeutet dies einen Rollenwechsel: Weg vom Kontrolleur, hin zum Ermöglicher. Ihre Aufgabe ist es nicht mehr, den Weg im Detail vorzugeben, sondern das Ziel glasklar zu definieren und die Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Ihr Team den besten Weg selbst finden kann. Es ist wichtig, zu verstehen, dass diese Generation mit digitalen Technologien und einer Informationsflut aufgewachsen ist, die Autonomie quasi zur Voraussetzung für effizientes Arbeiten macht. Wenn Sie versuchen, Mikromanagement zu betreiben, signalisieren Sie diesen Mitarbeitern: „Ich traue dir nicht zu, deine Kompetenzen richtig einzusetzen.“ Das demotiviert nachhaltig.

Mein konkreter Tipp: Etablieren Sie offene Feedback-Schleifen statt Kontrollmechanismen. Vereinbaren Sie Meilensteine, an denen Ergebnisse besprochen werden, aber lassen Sie den Weg dorthin offen. Dies stärkt die Eigenverantwortung und entlastet Sie operativ, sodass Sie sich stärker auf die strategische Ausrichtung konzentrieren können.

»Mein Team fordert „Ownership“. Wie übergebe ich Verantwortung, ohne die strategischen Ziele zu gefährden?«

Der Ruf nach „Ownership“ ist eigentlich ein großes Kompliment für jeden Arbeitgeber. Er zeigt, dass Ihre Leute bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Die Gefahr, die Sie sehen – das Aus-den-Augen-Verlieren der strategischen Ziele – ist real, aber vermeidbar, wenn der Rahmen stimmt.

Hier hilft ein Blick auf die Entscheidungen. Um Entscheidungen autonom treffen zu können, benötigen Ihre Mitarbeiter denselben Informationsstand wie Sie. Oft scheitert „Ownership“ daran, dass Führungskräfte Wissen horten. Machen Sie Ihre Strategie transparent. Erklären Sie das „Warum“ hinter den Zielen so eindringlich, dass es als innerer Kompass für Ihr Team dient.

Eine Methode, die Sie dabei nutzen können, um Sicherheit in der Delegation zu gewinnen, ist die Etablierung klarer Kriterien vor Beginn des Prozesses. Definieren Sie:

  1. Was ist das unverhandelbare Ziel?
  2. Welche Ressourcen stehen zur Verfügung?
  3. Wo liegen die roten Linien (Budget, Compliance, Zeit)?

Innerhalb dieser Leitplanken darf und muss sich das Team frei bewegen. Das fördert nicht nur die Zufriedenheit, sondern auch die Nachhaltigkeit der Ergebnisse, da die Lösungen vom Team selbst erarbeitet wurden und somit eine höhere Akzeptanz genießen. Denken Sie also langfristig. Wenn Sie jetzt in die Befähigung Ihres Teams investieren, bauen Sie eine Mannschaft auf, die auch in Ihrer Abwesenheit im Sinne des Unternehmens agiert. Das ist wahre Führung.

»Von der klaren Anweisung zum partnerschaftlichen Dialog: Wie passe ich meinen Kommunikationsstil an die Erwartungen der Generation Z an?«

Die Kommunikation hat sich radikal gewandelt. Ältere Generationen sind oft eine Top-Down-Hierarchie gewohnt. Die Generation Z und die Millennials hingegen kommunizieren vernetzt, schnell und auf Augenhöhe. Autorität ergibt sich für sie nicht aus dem Titel auf der Visitenkarte, sondern aus Kompetenz und Authentizität.

Ein partnerschaftlicher Dialog bedeutet, dass Sie vom „Ansager“ zum „Frager“ werden. Ein coachender Führungsstil ist hier das Mittel der Wahl. Statt zu sagen: „Machen Sie X“, fragen Sie: „Wie würden Sie X lösen, um unser Ziel Y zu erreichen?“. Damit triggern Sie das lösungsorientierte Denken und zollen Ihrem Gegenüber Wertschätzung. Dabei ist es wichtig, dass Sie ehrlich und authentisch bleiben. Versuchen Sie nicht, sich jugendlich zu geben, wenn das nicht Ihrer Persönlichkeit entspricht. Authentizität schafft Glaubwürdigkeit. Sie dürfen ruhig sagen: „Ich bin es gewohnt, die Dinge anders anzugehen, aber ich bin offen für euren Ansatz. Überzeugt mich.“

Dieser Austausch muss regelmäßig stattfinden. Nutzen Sie Formate wie „Daily Stand-ups“ oder Retrospektiven, die in agilen Arbeitsweisen üblich sind. Hier können Erwartungen beider Seiten – Ihre an die Ergebnisse, die Ihres Teams an die Unterstützung – transparent gemacht werden. Konflikte, die durch unausgesprochene Annahmen entstehen, lassen sich so frühzeitig entschärfen.

Ein weiterer Aspekt ist das Feedback. Während früher das Jahresgespräch reichte, erwartet die junge Generation fast unmittelbares Feedback. Sehen Sie das nicht als Last, sondern als Chance, individuelle Talente zeitnah zu fördern und Fehlentwicklungen sofort zu korrigieren.

Exkurs: Warum die Generationenfrage eigentlich eine Wertefrage ist

Lassen Sie uns noch einen Moment tiefer blicken. Oft sprechen wir pauschal von „der“ Generation Z oder „den“ Boomern. Doch diese Schubladen greifen zu kurz. Was sich verändert hat, ist der Arbeitsmarkt und damit die Machtverhältnisse. Junge Talente wissen um ihren Marktwert. Sie fordern Bedingungen, die gerecht und sinnstiftend sind.

Für Sie als Führungskraft ist es wichtig, die unterschiedlichen Aspekte der Motivation zu verstehen.

  • Für viele Beschäftigten der älteren Semester waren Status und Sicherheit treibende Kräfte.
  • Für die nachrückenden Generationen sind es Flexibilität, persönliche Entfaltung und eine offene Kultur.

Wenn Sie versuchen, alle über einen Kamm zu scheren, werden Sie scheitern. Individuelle Führung ist das Gebot der Stunde.

  • Finden Sie heraus, was den Einzelnen antreibt.
  • Seien Sie flexibel in Ihren Angeboten.
  • Machen Sie Ihren Arbeitsplatz attraktiv, indem Sie auf die Lebensphasen Ihrer Mitarbeiter eingehen.

Eine hohe Zufriedenheit im Team korreliert direkt mit der Qualität der Führung. Wer sich gesehen und wertgeschätzt fühlt, engagiert sich. Wer nur als Nummer verwaltet wird, macht Dienst nach Vorschrift oder geht.

»„Das haben wir immer so gemacht“ funktioniert nicht mehr. Welche konkreten Schritte kann ich unternehmen, um meinen Führungsstil zu modernisieren?«

Der Satz „Das haben wir immer so gemacht“ ist der gefährlichste Satz in der heutigen Arbeitswelt. Er negiert Veränderungen und blockiert Innovation. Um Ihren Stil zu modernisieren, ohne Ihre Identität zu verlieren, empfehle ich folgende Schritte:

  • Selbstreflexion und Potenzialanalyse: Bevor Sie andere führen, müssen Sie sich selbst führen. Eine fundierte Potenzialanalyse, wie wir sie bei BÖNING CONSULT anbieten, hilft Ihnen, Ihre eigenen Muster, Ihre Werte und Ihre blinden Flecken zu erkennen. Sind Sie vielleicht ein Typ, der Sicherheit durch Kontrolle sucht? Wo liegen Ihre Stärken im Umgang mit Menschen? Nur wer sich selbst kennt, kann sich gezielt weiterentwickeln.
  • Verständnis für die unterschiedlichen Lebenswelten entwickeln: Die Ansprüche der verschiedenen Altersgruppen und Generationen an den Arbeitsplatz sind divers. Beschäftigen Sie sich aktiv mit den Werten der Gen Z. Es geht oft nicht um Arbeitsverweigerung, sondern um eine andere Definition von Leistung. Flexible Arbeitszeiten und Orte sind für viele keine „Benefits“ mehr, sondern Hygienefaktoren. Wenn Sie diese Flexibilität gewähren, steigern Sie nicht nur die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber massiv, sondern auch Ihre Attraktivität als Abteilung.
  • Lernen Sie von Ihrem Team (Reverse Mentoring): Drehen Sie den Spieß um. Lassen Sie sich von Ihren jungen Mitarbeitern in digitale Tools oder neue Kommunikationsplattformen einführen. Das bricht Hierarchien auf, zeigt Ihre Lernbereitschaft und stärkt die Beziehung. Gemeinsam lernen verbindet.
  • Investieren Sie in Ihre sozialen Kompetenzen: Fachwissen setzt man bei Ihnen voraus. Was Sie jetzt brauchen, ist emotionale Intelligenz. Empathie ist der Schlüssel, um zu verstehen, was Ihr Team antreibt. Eine Führungskraft, die zuhört und Perspektiven einnehmen kann, wird auch dann respektiert, wenn sie unpopuläre Entscheidungen treffen muss.
  • Nutzen Sie Business Coaching: Führung ist heute komplexer denn je. Ein externer Sparringspartner hilft Ihnen, schwierige Situationen zu reflektieren und neue Handlungsoptionen zu simulieren, ohne dass Sie im operativen Geschäft Ihr Gesicht verlieren. Es ist ein Zeichen von Professionalität, sich Unterstützung zu holen, um die eigene Entwicklung voranzutreiben.

Die Zukunft gehört den Gestaltern

Lieber Michael, die Transformation, in der Sie stecken, ist anstrengend, aber sie birgt ein gewaltiges Potenzial. Wenn es Ihnen gelingt, Ihre Erfahrung mit der Energie und den neuen Sichtweisen Ihres Teams zu verknüpfen, schaffen Sie etwas, das weit über die Summe der Einzelteile hinausgeht. Sie müssen Ihre Werte nicht aufgeben, aber Sie müssen die Art und Weise, wie Sie diese leben, anpassen. Stärken Sie die Vertrauenskultur, fördern Sie Ownership durch klare strategische Leitplanken und gehen Sie in den echten Dialog.

Wir bei BÖNING CONSULT wissen, dass diese Veränderungen nicht über Nacht geschehen. Es ist ein Prozess, der Geduld und Strategien erfordert. Aber es ist der einzige Weg, um Ihre Abteilung und sich selbst zukunftssicher aufzustellen. Eine positive Unternehmenskultur, die von gegenseitigem Respekt und Autonomie geprägt ist, wird die besten Köpfe binden und langfristig erfolgreich sein.

Seien Sie mutig. Lassen Sie los, um mehr zu gewinnen. Und wenn Sie auf diesem Weg einen erfahrenen Lotsen brauchen, stehen wir Ihnen gerne zur Seite.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Auf unserer Webseite kommen verschiedene Cookies zum Einsatz. Sie können unsere Webseite grundsätzlich auch ohne das Setzen von Cookies besuchen. Hiervon ausgenommen sind die technisch notwendigen Cookies. Sie können die aktuellen Einstellungen jederzeit einsehen und ändern. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Durch klicken auf „Alle akzeptieren“ erklären Sie sich einverstanden, dass wir alle Cookies setzen.

Hier können Sie auswählen welche Arten von Cookies Sie akzeptieren.

Durch klicken auf „Einstellungen speichern“ erklären Sie sich einverstanden, dass wir die von Ihnen ausgewählten Cookies setzen.

Ihre Cookie-Einstellungen wurden gespeichert