Dr. Uwe Böning, geschäftsführender Gesellschafter der BÖNING CONSULT GmbH, macht Vorschläge, um Fehler bei der Nachbesetzung zu vermeiden:
„Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen, lauern bei der Suche nach einem Nachfolger so einige Gefahren. Doch es ergibt sich gleichzeitig auch die Chance, neue Wege zu gehen. Allerdings stehen bei der Nachbesetzung von Schlüsselfunktionen oftmals die falschen Kriterien im Fokus, durch welche potenzielle Kandidaten durchs Raster fallen. Zu oft suchen Unternehmen nach Kompetenzen, die angesichts aktueller Entwicklungen nicht mehr zeitgemäß sind. Nur wenige Führungskräfte berücksichtigen bei der Nachfolgeplanung den möglichen Verlust an Innovationskraft. Ein Indiz dafür stellt die Tatsache dar, dass die erste Führungsebene überwiegend intern vergeben wird. Ausscheidende Manager werden oft von denjenigen ersetzt, die sich genau eine Ebene darunter befinden. Regelmäßig kommen zudem Stellvertreter zum Einsatz, um offene Stellen zu füllen. Bei diesem Vorgehen steht allerdings rein fachliches Know-how im Fokus und nicht das Thema Leadership.
Potenzial für Umstrukturierungen
Aktuell sind in Führungspositionen inspirierende, mutige Visionäre, Treiber und empathische Motivatoren gefragt – keine hierarchischen Kommandeure. Doch vor allem beim Thema Leadership lässt sich erkennen, dass Unternehmen oft vor dem Problem stehen, neue Kriterien für die Vergebung von Stellen zu definieren. Waren in der Vergangenheit noch klassische Management-Fähigkeiten wie das Entscheiden und das Formulieren starrer Vorgaben gefragt, setzen die heute agilen Arbeitsweisen andere Skills voraus – etwa die Fähigkeit, zuzuhören, Mitarbeiter zu motivieren und klare Leitplanken zu vermitteln. Doch nur selten berücksichtigen Unternehmen bei der Neubesetzung von Führungspositionen Anforderungen an solche Kompetenzen, die etwa der digitale Wandel und das Einführen agiler Managementstrukturen erforderlich machen. Dabei besteht bei einer frei werdenden Stelle die Möglichkeit, sie grundlegend zu überdenken. Denn es geht in erster Linie nicht darum, eine Position in kürzester Zeit neu zu vergeben: Vielmehr stellt die Umstrukturierung eine Chance dar, um die Stelle optimal zu gestalten und auf ein neues Niveau zu heben – eine zentrale Voraussetzung, um vor allem Fehler bei der Nachbesetzung zu umgehen.
Mitarbeiter mit einbeziehen
Egal wie qualifiziert ein Bewerber ist: Passt er nicht ins Team, führt dies auf Dauer zu Problemen. Daher sollte die Managementebene beim Recruitingprozess die Gruppe rund um die neu zu vergebende Stelle mit einbeziehen. Der Einschätzung durch das Team kommt in diesem Fall eine hohe Bedeutung zu und sollte daher nicht hinten rüber fallen – nur wenn Zusammenarbeit und Kommunikation auf lange Sicht funktionieren, findet eine zukunftsorientierte Neubesetzung statt. Denn egal welche Qualifikationen der Bewerber mitbringt, wenn er nicht ins Team passt, funktioniert keine erfolgreiche Zusammenarbeit. Direkte Kollegen erhalten im besten Fall im Laufe des Bewerbungsprozesses die Chance, den potenziellen neuen Coworker kennenzulernen und eine Einschätzung abzugeben. Führungskräfte und Recruiter sollten keinen Alleingang wagen, sondern auf die Entscheidungen des Teams vertrauen oder auf sogenanntes Peer Recruiting setzen.
Motivation versus Kompetenz
Fachliche Grundkenntnisse stellen zwar eine Voraussetzung dar, gelten jedoch als leichter erlernbar und vermittelbar als beispielsweise Soft Skills und eine ausreichende Motivation. Nicht immer ist deshalb der Werdegang, die Ausbildung oder das Studium das entscheidende Kriterium. Besonders wenn die Stelle neu definiert und gezielt weiterentwickelt werden soll, sollten Personaler offen sein und der individuellen Persönlichkeit des Bewerbers eine Chance geben. Führungskräfte müssen die Anforderungen daher neu definieren und kategorisieren. Welche Fähigkeiten benötigt der Bewerber und welche Soft Skills haben künftig eine wichtige Rolle in der Position? Manchmal lässt sich eine Nachbesetzung nicht vermeiden, jedoch kann das Management freien Stellen aufgrund von Kündigungen aktiv vorbeugen – mit hoher Mitarbeiterzufriedenheit und Employer Branding. Denn zufriedene Mitarbeiter denken seltener über einen potenziellen Jobwechsel nach als unzufriedene Brainworker, die sich in ihrem Unternehmen unwohl fühlen.
Autor Dr. Uwe Böning
Dr. Uwe Böning ist Business-Coach, Managementberater, Geschäftsführer und Gründer der BÖNING CONSULT® GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main. Neben der Persönlichkeits-Entwicklung für Unternehmer und Manager und der Beratung bei Transformations-Prozessen gilt das „Stress-Coaching“ seit über 30 Jahren als eine seiner Spezialitäten für diese Zielgruppen. Zudem gehören zu seinen Schwerpunkten die Weiterentwicklung der Führungsrolle, der Umgang mit Transformations-Projekten und die Vorbereitung auf neue Aufgaben. Auf seinem Blog „Böning. Der TOP-Psychologe“ äußert sich Böning darüber hinaus kritisch zu Themen rund um Politik sowie psychologische Erkenntnisse und stellt persönliche Zeitgeist-Betrachtungen an.