21. Unsere alltägliche Psychoanalyse

Stilistisches Hilfsmittel zur Verdeutlichung des Beitragsthemas

Nicht jeder, der auf einer Party gelegentlich die Augenbrauen nach unten zieht, leidet an Depressionen, nicht jeder, der sein Smartphone beim Restaurantbesuch in der Hosentasche lässt, wählt konservative Parteien, nicht jeder, der leise und brüchig spricht, hat ein Trauma aus der Kindheit zu bewältigen. Vielleicht macht es uns alle ein wenig glücklicher, wenn wir uns entspannter und offener begegnen dürfen.

Coaches, Influencer, Podcasts, Ratgeber, TV-Sendungen, Instagram und Echokammern – noch nie war die Auswahl an Tipps, Strategien und Anleitungen für unser Leben so groß. „Wie kann ich ihn dazu bringen, mich zu lieben?“, „Was bedeutet ein besonders fester Händedruck?“, „Warum schaut sie mir nie in die Augen?“. Für jedes noch so unscheinbare Detail tischen uns selbsternannte Experten Erklärungen und Deutungsmuster auf. „Ignoriere ihn drei Wochen, dann wird er dich begehren!“, „Drückt er fest zu, will er dich dominieren!“, „Ihre Mitschüler haben sie damals ausgegrenzt, daher meidet sie den direkten Kontakt!“. Ganz selbstverständlich nehmen wir diese Antworten als Wahrheiten an – das „Wenn-Dann“-Schema kommt halt so schön einfach daher.

Wir programmieren uns darauf, die Welt nur noch nach diesen gelernten Kriterien zu beurteilen. Wir setzen alles daran, den allgemein bekannten Formeln „normalen“, „guten“ und „selbstbewussten“ Verhaltens zu entsprechen. Natürlich halten wir den Augenkontakt, sprechen mit stabiler, kräftiger Stimme. Genauso analysieren wir unsere Mitmenschen, ob sie sich im Raster der vorgebeteten Prinzipien bewegen. Tun sie das nicht, dichten wir ihnen eine mangelhafte Persönlichkeit an – einen Tick oder sogar eine psychische Störung.

Man hat das Gefühl, das zwischenmenschliche Leben bestehe zunehmend daraus, Verhaltensweisen zu berechnen und auszubalancieren – einzig wer bestimmte Codes im Umgang berücksichtigt, darf erfolgreiche Kommunikation und ein erfülltes Dasein erwarten. Wir standardisieren uns gegenseitig. Eigenarten und damit das Authentische werden eliminiert. Nur wer die ausgerufenen Regeln beherzigt, darf im Konzert des Gelingens mitspielen. Wollen wir das? Wollen Sie das? Lernen wir zu fragen und kennenzulernen, statt zu interpretieren und vorzuverurteilen.

Mit den besten Grüßen
Brigitte Fritschle

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