18. „SCHWARZ oder WEISS“ – Wie uns Vorverurteilung schadet

Zwei aus zerknülltem Papier geformte Köpfe stehen sich gegenüber. Zwischen ihnen eine orange Explosion, ebenfalls aus zerknülltem Papier.

Geht ein junger Mensch freitags für „Friday for Future“ auf die Straße, ernährt sich auch noch vegan und benutzt ein Fahrrad anstelle eines Autos, ist er ein verblendeter Öko. Dass er nur einer ist, der mit klarem Verstand sieht, dass der Klimawandel durch wirkungsvolle Maßnahmen abgebremst werden muss, darauf kommt niemand. In der Uni meldet er sich kritisch zur Flüchtlingspolitik. Er findet, dass man möglicherweise zu viele Asylsuchende ins Land gelassen hat, dann ist er ein herzloser Rechter. Dass er nur jemand ist, der aus eigener Erfahrung weiß, dass die Integration von Menschen aus fremden Kulturen nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren birgt, darauf kommt niemand. Es ist schnell geschehen, Menschen in eine schwarze oder in eine weiße Box zu stecken. Es gibt aber nicht nur „Schwarz“ oder „Weiß“. Schublade auf, Schublade zu.

Seit 2002 untersucht die „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, ob und wie stark sich die Gesellschaft radikalisiert hat. Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass sich ein unüberbrückbarer Spalt durch Deutschland zieht. Besonders die Mitte verliert ihre gemeinsame Wertebasis. In Anbetracht aufkommender Unsicherheiten fühlen wir uns orientierungslos. Was ist richtig, was falsch? Verheißungsvolle Losungen genießen einen entsprechend hohen Zulauf. Je eindringlicher die Parole, desto eher bleibt sie im Gedächtnis. Für viele Haderer ein Anker, an den sie sich klammern. Grüne und AFD profitieren von diesem „Run“ auf Ideale. Sie verkörpern diametralen Pole einer aufgewühlten Gesellschaft. In den schwelenden Clash zwischen den Anschauungen wird jeder irgendwie hineingezogen, weil er sich positioniert oder positioniert wird.

Wir alle leben in unserer Echokammer und vertreten mit Arroganz die eigene Weisheit. Die Gefahr, dass wir uns abweichenden Meinungen und Standpunkten gegenüber verschließen, ist groß. Stigmatisierung und Gruppenzuschreibung sind die Folge. Im Modus der Selbstverteidigung vergessen wir, dass wir Individuen sind – facettenreich, voller bunter Interessen und Blickwinkel, gleichzeitig auf der Suche nach Kompromissen, nach Zugehörigkeiten, aber nicht nach Boxen, in die man uns stecken kann. Differenzierte Denker haben es in einer lauten, schrillen, auf Wiedererkennbarkeit getrimmten Welt schwer. Umso mehr sollten wir aufpassen, sie nicht zwischen unseren aufgeheizten Emotionen zu zerreiben. Ideale sind wichtig, aber rechtswidrige oder faktenleugnende Aussagen zu verurteilen. Doch innerhalb dieser Schranken leuchtet genügend Freiraum für einen fruchtbaren Diskurs – in den jeder eingeladen sein sollte, ohne verächtliche Blicke oder gar Empörung zu ernten. Unterscheiden wir nicht zwischen Freund und Feind, sondern zwischen guten und schlechten Argumenten.

Mit den besten Grüßen
Brigitte Fritschle

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