16. Ein Phänomen

Zeichnung einer Männersilhouette mit einem Kompass im Kopf

Unter dem Motto „Fridays for Future“ gehen derzeit Tausende junger Erwachsene für besseren Klimaschutz auf die Straße. Nach vielen Jahren der Stagnation gewinnen die Oster-Märsche wieder an Zulauf. Wir beklagen den Zustand des Waldes, den die Borkenkäfer zu ihrem Besitz erklärt haben. Es gibt viel, was im Argen liegt.

Wie viele Politiker, Journalisten, Demonstranten, „Moralapostel“ leben ihre Ideale? Wer redet nicht nur über die Einbindung von Geflüchteten, erklärt ihnen nicht nur den Weg zum Bahnhof, sondern bietet ihnen echte Integration, Gespräche, Besuche, Freundschaft? Vorgeblich tolerante Eltern schicken ihren Nachwuchs auf Schulen mit möglichst wenigen Migranten. Religionsgemeinschaften verkünden bedingungslose Nächstenliebe, grenzen im gleichen Atemzug jene aus, die ihre Werte und Regeln hinterfragen. Schon Voltaire erkannte 1736, die Kirche müsse sich gegenüber abweichenden Meinungsäußerungen öffnen. In seinen philosophischen Schriften kritisiert er deren „Doppelmoral“. Unternehmen proklamieren „Vielfalt, Diversity“ und Nachhaltigkeit, starten PR-Kampagnen gegen „Diskriminierung“, werfen gleichzeitig Bewerbungen in den Papierkorb, auf denen vielleicht ein „falscher“ Familienname steht. Im behaglichen Gefühl der öffentlichen Bestätigung zu baden, ist die eine Sache. Aus der Komfortzone heraus den Schotterweg der Realität zu wagen, die andere.

„Für doppelt oft moralisch hält, wer doppelter Moral verfällt“, schreibt Dichter und Aphoristiker Erhard Horst Bellermann. Diejenigen, die am meisten Theorie verbreiten, dogmatisch bestimmte Denkweisen einfordern, halten häufig einer Praxisprobe nicht stand. Bisweilen sind es „Stille Helden“, die umsetzen, was andere predigen, die einfach „machen“. Der Kapitän der Kreisliga-Fußballmannschaft, der gemeinsam mit Malek aus Syrien dessen Geburtstagsparty im Vereinsheim organisiert – und dann auch mitfeiert. Menschen, die für soziale Zwecke spenden, ohne öffentlichen Applaus zu reklamieren.

Man kann nicht von jedem erwarten, ein makellos moralisches Leben zu führen. Doch je deutlicher der Einzelne den Zeigefinger hebt, um seine Sicht der Dinge herauszustellen, desto mehr muss er sich daran messen lassen: im Denken wie im Handeln. Aber – seien wir doch ehrlich: Sind wir nicht alle inkonsequent und ein Bisschen bigott?

Mit den besten Grüßen
Brigitte Fritschle

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