Rhetorik

Frau mit weißer Bluse auf einer Bühne, die im Scheinwerferlicht eine Rede hält.

1. Warum eine gute Rhetorik wichtig ist.

Acht Sekunden. So lange kann sich laut einer Microsoft-Studie ein Mensch im Schnitt durchgehend konzentrieren; der Goldfisch ist uns hier eine Sekunde voraus. Zugegeben: Die Studie stammt von 2015, doch seitdem hat sich die Welt – klammern wir die Corona-Pandemie aus – keineswegs verlangsamt, sondern beschleunigt. Deswegen gilt ein Leitsatz mehr denn je: Wer kommunikativ überzeugen und mit seinen Botschaften durchdringen will, benötigt – neben dem reinen Inhalt – eine wirkungsvolle Rhetorik. Egal, ob es sich um Werbevideos, digitale Präsentationen, Vorträge, Verhandlungen oder Gespräche mit Mitarbeitern handelt.

 

2. Die beiden Ausgangsfragen rhetorischer Kompetenz:

Wer bin ich?

Wer eine Rolle spielt, die ihm buchstäblich nicht gut zu Gesicht steht, wird als unglaubwürdig wahrgenommen. Das Gute ist: Es geht bei einem Gespräch, einer Präsentation oder einer Rede nicht darum, möglichst spektakulär aufzutreten, sondern authentisch zu kommunizieren. Beantworten Sie sich also die Frage, welchem Persönlichkeitstypus Sie am ehesten entsprechen.

  • Introvertierte, zurückhaltende Menschen sorgen mit ausschweifenden Armbewegungen und unnatürlicher Stimmgewalt für Irritationen. Sie gewinnen die Zuhörer vielmehr mit treffsicheren, akzentuierten Gesten und feinsinniger Eloquenz.
  • Genauso muss sich ein emotionaler, aufbrausender Typ nicht künstlich beherrschen – er darf sich mit seiner Mimik und Gestik aktiv ausleben, sollte sich allerdings nicht im Überschwang verlieren. Bewusst gesetzte Tempovariationen und Pausen geben den Zuhörern die Gelegenheit, das Gehörte zu verdauen.

Führen Sie eine Selbstbeobachtung durch: Welche Gesten begleiten Sie durch den Alltag? Laufen diese Bewegungen nahezu automatisch ab? Dann fühlen Sie sich mit diesen nonverbalen Stilmitteln scheinbar wohl. Begreifen Sie sie als Stärken und überlegen Sie, an welcher Stelle in Ihrer Rede Sie sie einsetzen könnten. Scannen Sie sich nach rhetorischen „Marotten“ ab. Vielleicht verwenden Sie bestimmte Füllwörter wie „irgendwie“, „eigentlich“ oder „wohl“ auffällig oft und mindern damit die Prägnanz Ihrer Aussagen. Mit folgendem Trick schieben Sie dieser Angewohnheit einen Riegel vor: Senken Sie bei Gesprächen oder Vorträgen bewusst die Stimme am Ende Ihrer Ausführungen – so machen Sie sich unterbewusst klar, dass das Gesagte für sich steht und keine unnötige Ergänzung braucht.

 

Was ist der Anlass?

Machen Sie sich als Redner Gedanken darüber, welche Wortwahl Ihre Zielgruppe versteht und schätzt. Fachbegriffe, Fremdsprache und feuilletonistisch ausgeschmückte Sätze kommen bei einer Rede vor der Gewerkschaft nicht gut an, auf einem Literaturkongress durchaus. Neben der Zielgruppe spielt die Art bzw. Formalität des Auftritts eine wichtige Rolle. So sind etwa Nachrichtensprecher zur Objektivität verpflichtet und sollten nicht mit dem ausgestreckten Daumen nach oben oder unten signalisieren, dass sie ein Ereignis erfreut oder empört. Launiger und meinungsfreudiger darf es etwa auf der betrieblichen Weihnachtsfeier zugehen. Außerdem: Sprechen Sie ruhiger, wenn Sie schlechte Neuigkeiten überbringen, bei positiven News darf Ihre Stimme schwungvoller klingen.

 

3. Selbstbewusst auftreten durch visuelle Anker.

Wer sich gut vorbereitet, lindert seine Nervosität. Eine wirkungsvolle Methode, sich auf Dialoge oder Vorträge einzustellen, ist die Visualisierung. Bilder wandeln Abstraktes in Konkretes. Wer mit Visualisierungen als Anker arbeitet, verfolgt Ziele konsequenter. Genauso wie ein Marathonläufer visualisiert, wie er stabil und glücklich über die Ziellinie joggt, können Sie sich vorstellen, wie Sie mit strahlendem Lächeln, breiter Brust und präzisen Gesten erfolgreich eine Rede halten. Notieren Sie auch Ihre zwei größten Befürchtungen und mögliche Auswege. Den Vorfall „Ich verspreche mich“ beantworten Sie etwa mit „Ich lächle kurz darüber“ oder „Ich rede langsamer“. So gewinnen Sie Sicherheit. Ergänzend zur Visualisierung können Sie vor dem Spiegel oder vor einer Kamera Ihre rhetorischen Fähigkeiten einüben – und dabei Gesichtsausdruck und Körpersprache analysieren.

 

4. Wie kann man Rhetorik lernen? Coachings im Blick.

Rhetorik ist prädestiniert dafür, in einem geschützten Raum und in persönlicher, intensiver Interaktion erlernt zu werden. Denn eine außenstehende, fachkundige Person – Ihr professioneller Coach – erkennt verbale und körpersprachliche Potenziale meist besser als Sie selbst. Ein Coaching vermittelt Ihnen tiefes Wissen darüber, wie Wörter, Stimmfarbe, Gesten und Blicke ein Gespräch beeinflussen, welche Atemtechnik die Ruhe gibt, die vor einem Vortrag nötig ist. Bewege ich mich zu wenig oder zu viel? Wohin mit den Händen? Was ist die Drei-Gelenk-Regel? Wie wichtig ist der Augenkontakt mit dem Auditorium? Diese und viele weitere Fragen werden in einem professionellen Rhetorik Coaching oder Präsentationstraining fundiert beantwortet. So können Führungskräfte ihre Fähigkeiten gezielt einsetzen, um Zuhörer von ihren Argumenten, ihrer Ausstrahlung und ihrer Sprachgewandtheit zu überzeugen.

 

5. So machen Sie von sich reden – Vier Tipps für Ihre nächste rhetorische Herausforderung.

  • Stabil stehen: Souverän und überzeugend redet, wer eine selbstbewusste Körperhaltung einnimmt. Eine kleine Anleitung: Stellen Sie sich mit den Füßen hüftbreit auf den Boden. Ihre Knie lassen Sie locker, die Füße zeigen nach vorne. Becken und Bauch sind leicht angespannt, während die Schultern entspannt nach hinten fallen. Das Brustbein strecken Sie auf eine natürliche Art und Weise durch und der Kopf thront – wie von einer unsichtbaren Schnur nach oben gezogen – stolz auf dem Nacken. Wenn Sie diese Haltung internalisiert haben, wirken Sie maximal überzeugt von Ihren Worten. Denn Mimik und Gestik erfolgen selbstsicherer und authentischer.
  • Prägnanz schaffen: Menschen freuen sich über reduzierte Komplexität. Legen Sie sich also einen Leitsatz zurecht, der Ihr Anliegen kurz und prägnant zusammenfasst. „I have a dream“ (Martin Luther King) oder „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“ (Roman Herzog) sind zwei historische Beispiele hierfür. Wiederholen Sie diesen Satz mehrmals in Ihrem Vortrag. Oder setzen Sie ihn bewusst an den Anfang und an das Ende Ihrer Rede. So bleibt er im Kopf. Auch Alliterationen und Metaphern steigern die Wahrscheinlichkeit, dass das Gesagte besser im Gedächtnis gespeichert wird.
  • Pausen setzen: Ohne Punkt und Komma zu sprechen, kann die Nerven des Publikums strapazieren. Geben Sie ihm daher durch Pausen die Chance, den Sinn hinter Ihren Worten zu erkennen. Zudem schaffen Sie echte Spannungsmomente. Sie gewinnen die Aufmerksamkeit der Zuhörer automatisch, wenn Sie ein erstes Wort – etwa eine Jahreszahl – in die Runde werfen und dann eine Pause folgen lassen. Was ist dem Redner passiert in diesem Jahr? Trainieren Sie diese Technik in einem professionellen Rhetorik-Coaching. Sie ist ein anspruchsvolles Element, das eines exakten Timings bedarf, aber erfolgreich wirkt.
  • Geschichten erzählen: Per Storytelling vermittelte Botschaften werden bereitwilliger und leichter aufgenommen als nackte Fakten. Das müssen keine spektakulären Geschichten sein; alltägliche, charmante Storys, die einen gewissen Witz oder eine Lehre vermitteln, öffnen Ihrem Publikum bereits die Augen. Mit dieser Vorbereitung kommen Sie den Geschichten auf die Spur: Gehen Sie gedanklich durch, welche Geschehnisse Sie in den letzten Tagen gerührt, herausgefordert oder amüsiert haben. Prüfen Sie dann, ob die jeweiligen Vorfälle einen Bezug zum Thema aufweisen. Schlussendlich notieren Sie in Stichworten, was Sie in der entsprechenden Situation gedacht, gefühlt und gemacht haben. Sie können sie so in allen Facetten eloquent wiedergeben und erweitern Ihre Redekunst.